Wie geht unsere Generation mit Heimat um? Wir haben 170 Jugendliche
zwischen 18 und 24 befragt.
„Da, wo ich mich wohlfühle, geborgen und
verstanden, da, wo ich aufgewachsen bin." So allgemein umschreiben es
die meisten Jugendlichen. „Heimat ist kein Territorium, eher ein
Gefühl", sagen vage die einen; unsicher: „Vielleicht das Haus oder die
Stadt, in der ich lebe, weil hier meine Freunde sind", die anderen. Kaum
einer, der „Deutschland" nennt. Was macht es uns so schwer, Heimat so
zu bestimmen, wie es unsere Eltern und Großeltern noch konnten? Warum
fällt uns bei Heimat weder der Michel ein noch die Zugspitze, weder das
Brandenburger Tor noch der Rhein? Wir sind in Neubauvierteln groß
geworden, mit Cola und Corn-flakes, mit Michael Jackson und
„Sesamstraße". Wir wollten nicht mehr Polizist werden und Prinzessin,
sondern Filmstar oder Ölmilliardär. Wir sind mit sieben schon auf
Mallorca gewesen und haben die Familie im Stockwerk über uns nicht
gekannt. Wir konnten mit zwölf schon Englisch und verstanden Omas
Dialekt nicht mehr. Wir haben lieber Gameboy gespielt als Räuber und
Gendarm. Wir lernten von vielen Kulturen und kennen die eigene am
wenigsten. Wir arbeiten mehr mit Computern und Maschinen als mit
Menschen. Heimat hat viel zu tun mit Geborgenheit mit dem Gefühl,
zusammenzugehören. Das finden nahezu alle Jugendlichen, mit denen wir
gesprochen haben. Aber: Die Anonymität der Städte, die Hektik, der
wachsende Egoismus lassen für Gemeinschaft nicht viel Platz. Die Kirchen
sind nur Heiligabend voll, Stadtteilvereine und Straßenfeste können die
dörfliche Wärme kaum ersetzen. Ohne die Verbundenheit mit Ort und
Menschen kann aber auch kein Heimatgefühl entstehen. deshalb greifen
wir aus dem begrenzten Raum der Wohnung, des Zimmers zurück, auf den
engsten Kreis von Freunden und Verwandten. Was für unsere Eltern noch
unvorstellbar war, ist für uns Realität: Heimat ist verschiebbar. Weil
wir Kindheitserlebnisse nicht mehr an Orte, sondern vielmehr an Menschen
knüpfen, können wir Heimat quasi in den Umzugkarton packen und am neuen
Wohnort herausholen, sei es nun Kiel oder Tokio. Selbst Sprache ist,
seitdem Dialekte nur noch selten zu hören sind und Englisch
allgegenwärtig ist, als Bindeglied zur Nebensache geworden. Ist das aber
noch Heimat? So unsicher, wie Deutschlands Jugend bestimmt, was Heimat
ist, so sicher kann sie sagen, was nicht: das Vaterland nämlich.
Vaterland (oder Geburtsland, was für uns besser klingt, weil „Vaterland"
den faschistischen Beigeschmack noch lange nicht verloren hat), das ist
Deutschland. Nur, weil man hier geboren ist. „Heimat positiv" –
„Vaterland ist ein konkreter Ort, Heimat eher ein Gefühl." Sicherlich,
uns geht es viel besser als den Generationen vor uns. Wir können
reisen, wohin wir wollen, wohnen, wo es uns passt (gesetzt den Fall,
dass es noch Wohnungen gibt). Wir brauchen nur auf einen Knopf zu
drücken, schon können wir wählen zwischen Spielfilm, Talk-Show, Quiz und
Nachrichten – uns die Welt ins Wohnzimmer holen. Wir können aussehen,
wie wir möchten, tragen, was uns gefällt. Wir leben leichter, bequemer
und länger als unsere Großeltern. Wir können vieles haben, was man
kaufen kann. Nur Heimat nicht.
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